Apr 14 2010
Wenn Rentner Rentnerleben hätten
Als ich mich nach links vortaste, merke ich, dass meine Frau das Bett schon verlassen hat. Vermutlich sogar schon eine ganze Weile, denn kuschelig warm ist es unter ihrer Bettdecke nicht mehr. Ich drehe mich in die andere Richtung und schaue auf den Wecker. Wow, schon nach halb Zehn.
Eine Viertelstunde später sitze ich in der Küche und frühstücke. Wie ich durch das Fenster beobachten kann, ist meine Frau bereits draußen im Garten tätig. Nachdem ich mein Vollkornmüsli gegessen habe, gehe ich raus und nach einem Guten-Morgen-Kuss frage ich meine Frau, ob ich ihr im Garten zur Hand gehen kann.
„Herbert, du hast mir doch noch nie im Garten geholfen. Was soll denn die Frage?“. Ich muss gestehen, ich wollte hier guten Eindruck schinden bei Euch Lesern. Hat wohl nicht geklappt.
Ich bin Frührentner. Anfangs hat das Zusammenspiel mit meiner Frau wirklich überhaupt nicht geklappt, als ich aufeinmal wieder seit Jahrzehnten den ganzen Tag zuhause war. Es gab Meinungsverschiedenheiten beim Tagesablauf, beim Haushalt, ja, wirklich bei allem. Jetzt, nachdem ich einige Jahre in Frührente bin, haben wir uns… sagen wir, arrangiert.
Wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich am Anfang meines neuen Lebens auch wirklich in ein Loch gefallen. Die Routine war weg. Bin ich sonst morgens gegen 7 Uhr aufgestanden, habe mich für die Arbeit rasiert, war gegen 8 Uhr auf der Arbeit, für 12:30 wieder zuhause zum Mittagessen und verlief mein Leben in geregelten Bahnen, stand ich nun auf einmal da, im Nichts.
Was sollte ich mit meinem neuen, so oft gelobten Rentnerleben anfangen? Morgens nach dem Frühstück hatte ich ja schon quasi wieder Feierabend.
Ich habe es mit Golf spielen versucht. Wer schließlich was auf sich hält, schwingt ja anscheinend den Schläger. Für mich war das allerdings nichts und da dresche ich doch lieber ab und an ein paar Bälle auf dem Tennisplatz. Mit einem alten Arbeitskollegen, habe ich dann sogar einen Kochkurs besucht. Ich hatte es gut gemeint und wollte meine Frau zuhause vor dem Herd unterstützen. Auch Fehlanzeige. Kochen ist nicht wirklich was für mich und ich muss auch zugeben, dass ich die 40 Jahre Berufserfahrung meiner Frau als Hausfrau und Mutter nicht mehr aufholen kann.
Mein Loch war zwar einige Monate tief, doch irgendwann kam ich wieder langsam ans Tageslicht. Ich habe die Familie in den Vordergrund gerückt, lese täglich in meiner neu eingerichteten Bibliothek und ich habe ein neues Hobby.
Naja, neu ist es vielleicht nicht, denn auch kleine Kinder spielen schon gern mit Autos. Nur ist der Unterschied zu uns Erwachsenen der Preis des Spielzeugs. Für heute Mittag habe ich schon einen ganz genauen Plan.
Zuerst besuche ich meine Mutter im Altenheim. Nach dem Seniorenheim geht es dann weiter zum Autohaus, wo ich mich nach einem neuen Spielzeug umschauen werde. Und dann werde ich vor dem Abendessen noch einen Spaziergang machen. Ob mit oder ohne meiner Frau, werde ich dann noch sehen.
Das Telefon klingelt. Zuerst muss ich es einmal finden, denn meine Frau ist nur zu gut im Telefon verlegen. Nachdem ich fündig geworden bin, höre ich meine Tochter am anderen Ende der Leitung. Sie braucht morgen einen Babysitter. Kein Problem, dafür sind Großeltern schließlich da und die Kleine ist wirklich sehr pflegeleicht. Somit ist der morgige Nachmittag auch schon wieder verplant. Dann spielt der alte Mann wieder Steckpuzzle und mit den Puppen. So bleibt man jung.
Ehrlich gesagt bin ich jetzt, als Frührentner und nachdem ich mein erstes Tief überwunden habe, mehr eingespannt als in meinem ganzen Berufsleben davor. Man geht auf Reise, nimmt Änderungen im und ums Haus herum in Angriff. Ich bin fast täglich bei meiner Mutter zu Besuch, die Kinder und Enkelkinder kommen oft bei uns vorbei. Da soll mal einer sagen, dass es im Rentenalter ruhiger wird. Mir kommt es meist sogar so vor, als hätte ich jetzt im Alter, weniger Zeit als früher.
Es ist 10:20. Ich glaube ich mache mich noch schnell vor dem Mittagessen auf in Richtung Ikea. Eine neue Einrichtung für die Küche wäre angebracht. Bei uns ist noch alles von früher in dunkelem Holz gehalten. Ich denke, dass wir das mit einer helleren und freundlicheren Farbe mal etwas auffrischen sollten. Vielleicht finde ich ja etwas, was auch meiner Frau gefällt.
So, jetzt muss ich aber los. Nicht, dass ich es nicht rechtzeitig zum Nudelauflauf für 12:30 packe.
8 Kommentare
8 Kommentare zu “Wenn Rentner Rentnerleben hätten”
Aber echt, ich kenn auch einen Frührentner, der bei uns im Sommer immer auf dem Jungscharzeltlager mithilft. Wenn du den fragst, der hat nie Zeit. Entweder im Posaunenchor oder mit dem Hund oder sell oder jenes… Zeit hat der nie. ;)
Man muss nur das anfängliche Loch zu stopfen wissen, so fern es sich denn auftun sollte. Wenn das geschafft ist, dann hat man keine Zeit mehr für nix! :D
In der Tat, das kenne ich gut von meinen Großeltern. Nur dass die auch nach zehn Jahren Rente immer noch unfassbar früh aufstehen (aber das kommt ja wohl mit dem Alter…).
Ja, dass das mit dem Alter kommt, das merke ich auch so langsam. Anfangs schlief ich sogar immer bis 11 morgens, dann 10… heutzutage bin ich so gegen 9, halb 10 wach.
Aber lieber so, als die ersten Wochen, nachdem ich in Frührente geschickt wurde, denn da hatte ich noch einen inneren Wecker, der mich immer morgens zwischen 7-8 erwachen ließ, obwohl ich ja nicht mehr zur Arbeit musste.
Angenehmen Sonntag,
Alex
Also meine Eltern sind jetzt mehr unterwegs und in Action als früher -lach- Den Bundespräsidenten erreicht man leichter als die beiden.
Sie geniessen diese freie Zeit richtig.
Tja, so schaut’s aus. Man denkt ein Leben lang, so… wenn ich dann erstmal in Rente bin, dann habe ich Zeit. Nix da. Und nicht umsonst heißt der Titel: Wenn Rentner Rentnerleben hätten! :D
Super Geschichte!
Konnte sie erst jetzt lesen, da ich die letzten Wochen unterwegs war.
Eigentlich keine positive Geschichte, denn wenn man noch nicht mal mit dem Beruf angefangen hat und einem wird schon erzählt, dass es als Rentner nicht ruhiger wird, worauf soll man sich denn dann noch freuen? :P
Hallo Tarik.
Danke für deine nette Rückmeldung. Freut mich, dass die Geschichte gefällt. Und was das Rentnerleben angeht, da haben wir ja auch noch ein wenig Zeit vor uns! :D
Erstmal angenehmes Wochenende,
Alex