Aug 31 2010
Die Dame vom Empfang
Noch zwölf Minuten bis der Bus kommt. Das haut hin.
Meine Wimpern werden mit Mascara massiert, ich ziehe noch einmal mit meinem Kajalstift nach, setze etwas Lipgloss auf und bin schon fast bereit. Die Haare werden noch schnell durchgekämmt, am Schluss noch die Stiefel zugeschnürt. So, der Arbeitstag kann kommen.
Kurze Zeit später stehe ich an der Bushaltestelle, krame schon einmal im voraus meine Jahreskarte heraus und warte geduldig auf den Bus. Nur ein paar Minuten später ist es dann auch schon soweit. Der Busfahrer bringt den Bus zum stehen, neben mir steigt noch eine ältere Frau mit Ihrem Rollstuhl ein, meine Buskarte wird mit einem Nicken des Fahrers quittiert und ich suche mir einen geeigneten Sitzplatz.
Kinder, oder nennen wir es lieber Rabauken, halten den Bus mit ordentlich Lärm im Griff, so dass ich meinen iPod anmache und mich von der Welt gedanklich abnabele. In Gedanken versunken, denke ich an meine Kleine. Welch ein Glück, dass meine Elfjährige ein ruhiges, braves Mädel ist. Ganz im Gegensatz zu den Jungs im hinteren Teil des Busses.
Einmal bekomme ich mit wie der Busfahrer sich wegen der Jugend ordentlich aufregt, doch meine Musik lässt dann auch schon wieder alles um mich verschwinden. Erika-Mann-Straße, hier muss ich raus.
Es wären nur noch ein paar Meter bis zum Gebäude mit dem großen roten Schornstein, aber davor mache ich noch schnell einen Abstecher in den Supermarkt um die Ecke, wo ich mir für den ersten kleinen Hunger am Tag eine Banane wie auch einen Liter Wasser kaufe. Ein paar Augenblicke später bin ich dann auch schon bei meinem Arbeitsplatz angekommen und installiere mich hinter der Rezeption.
Richtig, ich bin die Dame vom Empfang. Ich stehe von morgens bis abends am Empfangstresen des Gebäudes an dem ich die Mitarbeiter der verschiedenen Firmen empfange, wie auch deren Geschäftspartner und Kunden. Ab und zu sind es dann auch ein paar Touristen die sich hier in der Bahnhofgegend verlaufen habe, aber denen helfe ich dann gerne wieder auf den richtigen Weg.
Nach und nach trudeln die ersten Mitarbeiter ein. Ich begrüße sie wie jeden Morgen höflich, gut gelaunt und mit einem aufgesetzten Lächeln. Mit den einen gibt es Smalltalk, mit anderen kreuzt sich noch nicht einmal ein kurzer Blick.
Ich schaue mir die Liste mit den Besuchern des heutigen Tages an. Die erste Welle rollt so gegen 9 Uhr an, dann noch einmal um 11 und dann ist mehr oder minder Ruhe bis 14 Uhr angesagt. Wunderbar um mir für die Mittagsstunde eine Pizza liefern zu lassen.
Ich greife nach meiner Tasche, nehme mein Handy raus und lege es unter den Tresen. Ich muss ja schließlich erreichbar sein, falls etwas mit meiner Kleinen in der Schule sein sollte. Die Tasche wird anschließend wieder verstaut und als ich hochschaue erwartet mich schon der Blick eines Kunden. „Guten Morgen. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Ich schaue schnell meine Liste durch. Der Mann hat einen Termin bei einer hier im Haus ansässigen Firma und somit schicke ich ihn zum Aufzug. „2. Stock.“
Ich greife zum Telefon und melde den Kunden oben bei der Firma an. Kurz darauf steht ein Paar vor mir, welche ich aber in das nächste Gebäude bitten muss, da sie im falschen Firmengebäude gelandet sind.
Hier ist ja gleich am Anfang mal wieder einiges los und ich freue mich jetzt schon, wenn ich heute Abend meiner Kleinen einen Kuss auf die Stirn geben kann und ihr eine Gute Nacht wünsche. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg, denn auch nach Feierabend ist für mich hier noch nicht Schluss.
Ab 18 Uhr sitze ich in einem Abendkurs, denn auf Dauer will ich mich sicherlich weiterbilden und meiner kleinen Tochter etwas im Leben zu bieten haben. Es ist halt nicht ganz einfach als alleinerziehende Mutter alles immer unter einen Deckel zu bekommen, aber ich boxe mich durch. Für meine Tochter – mein ein und alles im Leben!
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