Mai 07 2009
Der Kunde ist König
Endlich Pause. Man steht sich bei meinem Beruf regelrecht die Beine in den Bauch und so ist es ein richtiger Genuss als ich endlich mal wieder sitzen kann. Eine Kollegin und ich sind gerade in der Cafeteria angekommen und während unserer Pause wird es vermutlich wieder nur ein Thema geben… wird hier dicht gemacht? Stehen wir bald auf der Straße? Wie geht es weiter? Wir sind Verkäuferinnen in einem großen, deutschen Kaufhaus und momentan geht bei uns allen die Angst um.
Das Arbeitsklima hat sich die letzten Monate drastisch verschlechtert und auch die Stimmung zuhause sinkt fast täglich bei all den Horrormeldungen. Mein Mann und ich sind beide berufstätig, haben zwei kleine Kinder und kommen mit unserem Einkommen so gerade über die Runden. Der Hauskredit wird noch abbezahlt, der letzte Urlaub liegt auch schon ein paar Jährchen zurück und wenn nun auch noch einer von uns seinen Job verlieren sollte, dann sieht es düster aus.
A propos düster. Seit geraumer Zeit scheint er zwar wie vom Erdboden verschluckt, aber mir fiel einige Monate lang ein Kunde auf, der immer wieder in unser Kaufhaus zurückkehrte und sich stets das Gleiche gekauft hat. Schwarzer Pulli, schwarze Hose, schwarzes T-Shirt und die passenden Strümpfe und dann war es das wieder für ein paar Tage oder Wochen. Dann war er auf einmal wieder da und das gleiche Spielchen began von vorne. Schon merkwürdig. Naja, vielleicht hört er ja düstere Metal-Musik, hat einen exorbitanten Verschleiß an Kleidung oder ist gar ein Meisterdieb? Zumindest das letzteres ist Quatsch, denn meiner Meinung nach, hat ein Profi ja sicherlich besseres zu tun als sich immer wieder die gleiche Kleidung aus einem Kaufhaus zu besorgen.
Genau das liebe ich so an meiner Arbeit. Man kommt mit den verschiedensten Menschen in Kontakt und kann sich mit blühender Fantasie die Welt hinter deren optischer Fassade selbst etwas ausmalen.
Aber wie auch immer… der letzte Schluck aus meiner Kaffeetasse ist getrunken, die Wirtschaftskrise ist mal wieder heiß diskutiert worden und somit geht es dann erneut ran an die Arbeit.
Ich arbeite in der Sportabteilung und es macht mir auch noch nach Jahrzehnten Spaß die Kunden zu beraten, ihnen passende Kleidung zu ihrem Typ vorzuschlagen und sie einfach nach dem Motto „Der Kunde ist König“ zu behandeln.
Gerade eben habe ich noch einem Senioren ein Golfset samt Golfschuhen verkauft, anschließend konnte ich einer Frau bei der Suche nach dem richtigen Tennisschläger mit Rat und Tat zur Seite stehen und… „Ui, du dickes Ei! Was kommt denn da auf mich zugerollt?“
Nichts gegen etwas fülligere Menschen. Ich selbst habe mit manchen Speckröllchen zu kämpfen und auch einige jenseits der 100kg in meiner Familie, aber die gute Frau die gerade vor mir steht… wow!
Nach den ersten Sätzen unserer Konversation, teilt mir die Kundin doch nicht tatsächlich mit, dass sie nach einem neuen Schwimmanzug sucht. Ausgerechnet ein Schwimmanzug?! Ich bin noch ganz perplex, da ich nicht einmal weiss ob wir etwas in der Größe in unserem Sortiment haben und mir schießt nichts besseres durch den Kopf als der Greenpeace Witz mit dem Wal. (Nein, ich habe ihr ihn nicht erzählt)
Ich reiße mich dann jetzt mal zusammen, berate sie so gut es geht und muss mich dann am Ende noch irgendwie zu einem „Steht ihnen klasse“ überwinden.
Der Kunde ist nun einmal König und so lange sie sich in ihrer Haut wohl fühlt und zu ihren Kilos steht – gut! Wenn ich solch eine Figur an den Tag legen würde, würde ich mich sicherlich nicht mehr trauen irgendwo in einem Schwimmanzug aufzukreuzen. Selbstbewusstsein hat die nette Frau aufjedenfall im Überfluss. Und was ich immer wieder im Leben festgestellt habe… die Menschen mit erhöhter Anzeige auf der Waage sind doch meist die nettesten und gemütlichsten.
Und meine blühende Fantasie sagt mir, dass sie optisch zwar gut als Metzgerin durchgehen würde, doch sehe ich sie eher im sozialen Bereich tätig. Vielleicht im Altenheim? Ich werde es nie erfahren und es geht mich ja auch nichts an. Aber bei einem lag ich richtig… unser Sortiment hat nichts in ihrer Größe und so musste ich mich auch nicht zum „Steht ihnen klasse“ durchringen – uffh!
4 Kommentare
4 Kommentare zu “Der Kunde ist König”
Interessant wäre es gewesen wenn es etwas in der Größe gegeben hätte. Sollte man lügen? Sicher nicht, denn der Kunde ist ja König. Als Erwachsener bewertet man ja jede Aussage und wägt ab, ob man jemanden kränkt. Zumindest habe ich das so gelernt. Kinder sind da brutal ehrlich.
Ich habe mal ein Kind in der U-Bahn über mich zu seiner Mutter sagen hören: „Du Mama, warum hat der Mann da Brüste?“
Das war für mich der Anlass abzunehmen. Auch wieder gut!
Hallo Warsteinix,
ja, es ist schade dass nichts in der Größe vorhanden war. Ich bin ja schließlich Verkäufer und lebe vom verkaufen. Und lügen sollte man nie, richtig. Nur ist es so, dass es sicherlich schwer für die gute Frau ist etwas passendes zu finden und wäre die passende Größe in unserem Sortiment vorhanden gewesen, hätte ich ihr halt gerne das Gefühl gegeben, dass es zu ihr passt. Doch die Frau war sicherlich nicht nur knapp über 100 sondern klopfte wohl eher schon an den nächsten Hundert an.
Sie erzählte mir noch, dass sie (neben den Ferien auf Balkonien) diesen Schwimmanzug bräuchte, da sie mit Wassergymnastik versucht ihre Kilos loszuwerden. Ich drücke ihr ganz fest die Daumen!
– Das hier war soeben der 100.Kommentar auf workablogic.de –
Servus,
alles klar! Bist du jetzt eigentlich Polizist oder Verkäufer. Ich meine ich hab in einem anderen Artikel gelesen, das du eigentlich Polizist bist.
P.S. was hältst du davon wenn wir unsere Blogs verlinken? Ich werde deinen auf alle Fälle verlinken, gefällt mir gut.
Grüße
Warsteinix
Hallo,
ich bin Verkäufer, wie es hier drüber steht.
Was es sonst noch alles zu lesen gibst, findest du im Soap Archiv, oben im Header-Bereich.
Es freut mich dass dir der Blog hier gefällt und dass du dich wohlfühlst. Werde zeitnah auch nochmal in deinem vorbeischauen.
Angenehmes und baldiges Wochenende!